Tag 34 Sarria – Portomarin
04. September 2013
Heute war die 100-Kilometer-Grenze nach Santiago auf dem Weg und die Zahl der Pilger stieg dramatisch an. Meine Vermutung, dass genau an der Grenze Hubschrauber landen und Busse anhalten und Pilger absetzten, damit diese bloß keinen Meter zu viel laufen, hat sich nicht erfüllt.
Die meisten neuen Pilgergeschwister sind relativ einfach zu erkennen: Kein Gepäck oder sehr kleine Tasche oder Rucksack. Mehr so die Ausrüstung, die man im Stadtwald für einen Spaziergang erwartet. Nie alleine laufend und häufig begleitet von Support-Teams, die mit Ihren Bussen alle paar Kilometer bereitstehen um Getränke und Essen anzubieten und die schwächsten Pilger einzusammeln. Natürlich gibt es die Unterstützungsleistungen nur für die eigene Reisegruppe. Viele neue sind US-Amerikaner, die man vorher auf dem Weg fast nie angetroffen hat.
Wegen einiger gehässigen Bemerkungen in den letzten Tagen wurde eine der Neuseeländerinnen und ich genötigt, tägliche Gelübde abzulegen. Heute haben wir uns entschieden, nicht über frische Pilger zu schimpfen. Auch sollte ich mich nicht über Leute lustig machen, in dem ich Pilger mit winzigen Rucksäcken anbiete, diese für sie zu tragen, um die 100 Kilometer etwas zu vereinfachen. Hat hervorragend geklappt. Ein paar nervige Kühe mussten zwar leiden, aber Menschen wurden verbal verschont und ich habe keine Trage-Angebote gemacht.
Es ist ziemlich unchristlich, aber wenn man knapp 700 Kilometer hinter sich hat, fühlt es sich an als wenn die Neuankömmlinge ungefragt die Intimität „deines“ Weges verletzten. Das ist natürlich Quatsch! Schade ist, dass viele über den Weg und die positiven Nebenwirkungen hören und sich wundern, dass ihre 100 Kilometer nichts mit Ihnen gemacht haben. Diesen Teil des Weges kann man in drei Tagen schaffen und die Zeit reicht bei Weitem nicht, um etwas außer Schmerzen zu spüren.
Insgesamt sehr schade, dass der letzte Teil des Camino mehr wie ein Touristen-Ausflugsziel wirkt und ich bin mir relativ sicher, dass ich bei einer Wiederholung dieser Tour diese letzten 100 Kilometer auslassen würde.
Portomarin, das Ziel des heutigen Tages ist eine Stadt, die mittlerweile durch einen Staudamm größtenteils unter Wasser liegt. Mann kann immer noch Gebäude aus dem Wasser schauen sehen – ganz interessant.
Das Hotel heute hat einen großen Pool mit Handtüchern und Getränkeservice. Die Kombination war es wert, die Vorsichtsmaßnahmen wegen der Ohren zu ignorieren. 15 Minuten habe ich dem kalten 25-Meter-Becken verbracht und mal wieder ein paar andere Muskeln als die zum Laufen bewegt – Toll! Leider gab es keinen Schatten und keinen Getränkeservice wie versprochen, also war es nur ein kurzes Vergnügen. Das versprochene Internet hat auch nicht funktioniert … trotzdem ein gutes Hotel!
Nach dem Pool auf der Terrasse zwei Südafrikanerinnen kennengelernt, die für die letzten 100 km angereist waren. Ich war höflich und habe auf Fragen geantwortet ohne „schnippisch“ zu sein, was mir relativ leicht fiel. Diese beiden Schwestern laufen die paar Tage zusammen, da sie jahrelang keinen Kontakt miteinander hatten und den jetzt intensivieren wollen. Die ältere versuchte die jüngere Schwester ständig über die Schädlichkeit von Alkohol und Zigaretten zu belehren … na, das werden ja fröhliche Tage für die beiden …
Abends in Australisch-Neuseeländischer Stammbesetzung Pizza gegessen und danach mit ein paar Flaschen Wein auf eines der Hotelzimmer zurückgezogen. Mein Hang zu weiblichen Pilgern wird manchmal ganz schön auf die Probe gestellt. Schlagfertigkeit ist da die einzig wirksame Strategie, wenn man ständig in der Unterzahl ist …
Tages-Leistung: 23 Kilometer
Erkenntnis des Tages: Ich kann zu neuen Pilgern nett sein und es fällt nicht mal besonders schwer!