Jakobsweg – was und warum
21. Juli 2013
„Ich bin dann mal wech“ (oder so ähnlich) hieß das Buch von Hape Kerkeling, das ich vor einigen Jahren gelesen habe. Es sprach mich sehr an, dass jemand, der viel um die Ohren hat und genügend Geld hat, es sich im Urlaub bequem machen zu können, eine solche Reise auf sich nimmt.
Von dem zweiten und noch bekannteren Buch über den Jakobsweg von Shirley MacLaine würde ich eher die Finger lassen – die gute Dame ist etwas zu abgefahren für meine Verhältnisse. Ich war mal in einem früheren Leben mit Karl dem Großen befreundet und der spricht immer noch zu ihr … um mal ein Beispiel von vielen zu nennen.
Ich habe mir jedenfalls eines Tages in den Kopf gesetzt, ebenfalls mal etwas weg zu sein.
Den Jakobsweg gibt es nicht, es gibt Hunderte, die alle in Santiago de Compostela in Nordspanien enden, wo der heilige Jakob und Jünger Jesus beerdigt sein soll.
Der bekannteste Jakobsweg startet in den Pyrenäen in Südfrankreich und endet 760 km später in Santiago de Compostela. Diesen Weg war Herr Kerkeling gegangen und teilweise gefahren.
Offiziell muss man nur die letzten 100 km des Weges gehen und dies durch Stempel in seinem Pilgerausweis nachweisen, um in Santiago die berühmte Urkunde zu erhalten, die die Eintrittskarte in den Himmel ohne Umweg sein könnte. Aber, nur die Harten kommen in den Garten und so glauben viele, dass man doch die ganzen 760.000 Meter auf sich nehmen sollte. Bei einer Schrittlänge von circa 80 cm sind das 950.000 Schritte, die alle mehr oder wenig schmerzhaft sein können. In der Realität machen viele nur die letzten 100 Km und manche fahren sogar mit dem Auto und lügen den netten Kirchenangestellten in Santiago einfach an, um auch die Urkunde zu erhalten. Das andere Extrem sind Pilger, die sich mit nichts mehr, als sie am Körper tragen, auf die Reise machen und auf Gott vertrauen, dass er sie schon speisen würde.
Seit ein paar hundert Jahren marschieren unzählige Gläubige den „Camino“, da die Kirche verspricht, dass einem alle Sünden erlassen werden, wenn man am Ende der Reise auf Knien in die Kathedrale von Santiago hereinrutscht.
Ich glaube an Gott, aber nicht so, wie es mir die katholische Kirche so vorlebt. Auch glaube ich grundsätzlich nicht daran, dass man durch längeres Gehen von allen Sünden befreit wird und sich ein paar Millionen Jahre Bratspieß in der Hölle erspart. Aber ich glaube, dass tibetanische Buddhisten und australische Ureinwohner richtig liegen, wenn sie alle paar Monate mal für ein paar Tage in der Gegend herumlaufen, um den Kopf freizubekommen. Trotzdem werde ich bei Erfolg die Urkunde schön sicher verwahren – man weiß ja nie. Und so wie jeder eine Axt zu Hause haben sollte, falls es doch zu einem Zombie-Angriff kommt, werde ich die „Du kommst aus dem Gefängnis frei“-Karte sicherheitshalber aufbewahren.
Viele behaupten, dass man auf dem Weg einen kleinen Zusammenbruch erlebt und sich dann wieder aufbaut. Das kann ich mir gut vorstellen, da man in der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr dazu kommt, mal ein paar Wochen Zeit mit sich und seinen Gedanken zu verbringen. Als Mann in den fast besten Jahren habe ich bestimmt schon Vieles an mir als gut und richtig abgehakt und denke nicht mehr darüber nach, oder überprüfe die Einstellung oder Angewohnheit nicht mehr.
Die Belastungen sind schon erheblich und angeblich kommen nur 15 % am Ende der 760 km am Ziel an. Die Zahl empfinde ich als etwas untertrieben, aber sie zeigt, dass es etwas mehr benötigt als Zeit, um die Strecke zu laufen. So etwas reizt mich immer und gefühlt ist es die stärkste Motivation für mich.
In diesem Jahr ergab es sich, dass ich erstmals ausreichend Urlaub angespart habe, um den Weg zu gehen. Die 760 Kilometer sollten es schon sein, aber ich stand vor ein paar Problemen, wie sich das für einen Pilger eigentlich gehört: Ich kann nur in der Hauptreisezeit, also wenn die meisten Pilger unterwegs sind. In dieser Zeit sind die normalen Pilgerherbergen (meistens Massenschlafsäle) sehr überlaufen und es kann passieren, dass es nach 25 oder 30 Kilometern Tagespensum keinen Platz mehr gibt. Die Taktik, die viele Pilger benutzen ist, um vier Uhr schon loszulaufen, um vor den anderen am Ziel zu sein und einen Platz für die Nacht zu haben. Zu dieser Zeit gehe ich normalerweise erst ins Bett.
Das zweite Problem war die Foto-Ausrüstung. Die Strecke ohne Kamera zu laufen, wäre fast Gotteslästerung und bei Überprüfung des Gewichts des Rucksacks wurde mir klar, dass ich die geplante Tageskilometer-Leistung deutlich würde reduzieren müssen. Die Lösung kam durch eine Hamburger Firma, die hat mir für die einzelnen Abschnitte jeweils Zimmer gebucht hat in kleinen Pensionen und Hotels und ein Gepäckstück jeweils von einer Unterkunft zur anderen transportiert. Somit kann ich mit einem Gewicht laufen, das vergleichbar mit den anderen Pilgern ist, habe aber Kamera und Objektive dabei. Der Nachteil ist, dass mir die Strecken genau vorgegeben sind.
In ein paar Tagen geht es los und ich bin schon ziemlich gespannt, was der Weg so für mich bereithält und wie und ob ich mich nach den ca. 42 Tagen verändert haben werde.
Ich werde versuchen hier so häufig wie möglich zu schreiben und ein paar Bilder hochzuladen, aber ich weiß nicht, wann und wo ich Internet finden werde.