Tag 6 Puenta la Reina – Estella
7. August 2013
Wegen der Pilger-Stau-Situation der letzten Tage an einigen Stellen habe ich mich erst gegen 9 Uhr auf den Weg gemacht und das war eine gute Idee! Schön lange geschlafen, in Ruhe gefrühstückt und dann fast keine Menschenseele auf dem Weg. Also maximal 40-50, die ich überholt habe und das ist sehr wenig verglichen mit den anderen Tagen.
Eine der ersten rief meine Vater-Instinkte wach: Junges Mädel aus Ungarn, die mit einem riesigen Rucksack unterwegs war, der ihr viel zu groß war und sie deshalb den Hüftgurt nicht benutzen konnte. Wir kamen ins Gespräch und sie sagte, dass sie gerne viel dabei hat (z.B. einen Wasserkocher – das hätte ich sein können), aber sie kein Geld hat und deshalb nur diesen Rucksack nehmen konnte. Dann zeigte sie auf ihre Füße, die in Sandalen steckten und meinte, dass für richtige Schuhe auch kein Geld übrig war …
Ein bisschen weiter kam dann dieser Herr aus Asien. Wenn man aufs Bild klickt, sieht man, welche Schuhe er trägt – keine. Er geht ziemlich langsam, aber mindestens 70 % der Strecke sind definitiv nicht zum Barfußlaufen geeignet. Hut ab!
Im Laufe des Tages habe ich mir nach und nach meine Kopfhaut abgezogen. Es ist unglaublich, was man noch so mit 40 Jahren lernt: Wenn man stundenlang in der Sonne unterwegs ist, sollte man sich ordentlich einschmieren und die ganze Zeit was auf der Birne haben. Toll – wusste ich vorher nicht.
Dies ist der zweite Tag, an dem ich komplett alleine laufe und ich habe noch nicht einmal das Bedürfnis gehabt, die Kopfhörer in die Ohren zu stecken und ein bisschen Lala zu hören. Ich denke etwas nach, aber bisher ziemlich belangloses Zeug. Meistens guckt man sich eher die Landschaft an oder wundert sich, warum Spanier, die in Gruppen gehen, nie die Klappe halten können.
Unterwegs habe ich mir heute zweimal das kleine Herrengedeck (alkoholfreies Bier und einen doppelten Espresso) eingeworfen. Kostet im Schnitt €2,50.
Normalerweise stoppe ich 2-3 pro Tag, wenn es ein nettes Restaurant in einem Ort gibt oder eine Herberge so etwas anbietet. Man setzt sich hin, kommt mit anderen Verrückten ins Gespräch und schaut sich um. Leider gibt es viele Pilger, die nur sehr begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Da es nur sehr wenige Supermärkte oder Bäcker auf dem Weg gibt, weiß ich gar nicht, wie die sich so versorgen.
Bei der Menge an Kalorien, die man hier so wegläuft (die letzten Tage waren es im Durchschnitt pro Tag 2300 beim Laufen, plus das Verbrennen danach), hat man schon Schwierigkeiten genug, wenn Geld eher eine untergeordnete Rolle spielt. Ich habe einen Heidenrespekt für Leute, die hier nicht nur die körperliche Belastung auf sich nehmen, sondern dann auch an leckeren Sachen vorbeilaufen müssen.
Irgendwie gleiten diese Berichte ganz schön auf Tagebuch-Niveau ab. Tut mir leid, wenn ich die drei Reiseführer zum Jakobsweg lese, wäre es wichtiger etwas mehr handfeste Tipps und Hinweise zu geben, die stimmen, aber was soll’s.
Nach knapp 6 Stunden, bin ich in dem Hotel in Estella angekommen, dass gemäß Internet-Bewertungen ziemlich schlecht sein soll. Ich war jedenfalls positiv überrascht und freue mich auf ein 12-Euro-Pilger-Abendbrot und eine Tüte Schlaf.
15 Minuten nach Eintreffen im Hotel hat es übrigens angefangen zu regnen. Regen gab es schon öfter, aber nie, wenn ich draußen war. Wäre schön, wenn sich das mal ändert – ich hasse es, die Regenklamotten umsonst mitzuschleppen ;-)
Tages-Leistung: 25 Kilometer und außer an den Füßen (zwei Blasen) nichts kaputt gemacht.
Erkenntnis des Tages: Sonnencreme ist für Pussies! Ab jetzt bin ich eine …