Tag 39 Santiago de Compostela und Finestere
09. September 2013
Am 39ten Tag habe ich mich von einem Taxi zum Flughafen bringen lassen, um die bestellte Mercedes A-Klasse bei Sixt abzuholen. Anstelle eines Premium-Autos gab es dann einen Golf, der angeblich in der gleichen Kategorie ist. Der Golf wäre auch günstiger gewesen, aber mir war ausnahmsweise nicht nach Diskutieren zumute.
Autofahren nach sechs Wochen war gewöhnungsbedürftig und fühlte sich falsch an. Noch falscher wurde dann die Parkplatzsuche in Santiago … nach etwa einer Stunde fand ich ein Parkhaus nicht zu weit von der Kathedrale entfernt, wo wir uns treffen wollten, um einen Platz in der Pilgermesse zu erhaschen.
Auch in den Pilgermessen haben Pilger keine Vorrechte gegenüber Touristen, also setzt man sich 45 Minuten vor Beginn der Messe schon mal auf einen Platz, der einem auch wieder vom Sicherheitspersonal abgenommen werden kann, wenn z. B. ein gebrechlicher Tourist erscheint. 1000 Sitzplätze und ein paar Stehplätze gibt es und wenn das Gotteshaus voll ist, werden die Türen abgeschlossen und niemand kommt mehr herein. Wir hatten Glück und bekamen und behielten einen Sitzplatz.
Zehn Minuten vor Beginn der Messe begann eine Nonne das Warm-up: Wir mussten ein paar Lieder üben, was etwas schwierig ist auf Spanisch. Also nicht nur der Gesang, sondern auch die Information zu erhaschen, was von einem erwartet wird. Die Dame hatte eine tolle Stimme und die Akustik sehr beeindruckend. Danach hat ein deutscher Priester zu einem Treffen der deutschen Pilger nach der Messe geladen. Beim Einzug der diversen Priester und Mönche wurden die Nationalitäten und Startpunkte der gestern eingetroffenen Pilger vorgelesen. „Saint Jean Pied de la Port uno Alemagne” oder so ähnlich – das war ich. Insgesamt waren mit mir am Vortag über 1000 Pilger in Santiago eingetroffen …
Die Messe selbst (komplett in Spanisch) war ziemlich ergreifend, obwohl wir keinen Ton verstanden haben. Der vorher geübte Gesang war der Knaller. Die meisten der über 1000 Gläubigen waren spanische Touristen und konnten schön laut und schön singen. Das war das erste Mal in den letzten Tagen, dass mir ein Schauer über den Rücken lief und ich ein paar Tränen wegdrücken musste.
In der Messe werden die Pilger gesegnet, aber wann dies geschah weiß keiner, also außer den spanisch sprechenden. Am Ende wurde ein riesiges, brennendes Weihrauch-Fass, das an der Decke hing, durch sechs Mönche angehoben und mehrfach durch das Kirchenschiff geschwenkt. Es wäre auch wunderschön gewesen, wenn nicht alle ohne Rucksack aufgesprungen wären und wie blöd Fotos gemacht hätten – während einer Messe!
Nach Ende der Messe traf ich mich mit einer Australierin und einem belgischen Pärchen und wir haben uns auf die Reise gemacht nach Finestere. Die ungefähr 100 Kilometer wurden von einem sehr mittelmäßigen Mittagessen unterwegs unterbrochen und von ein paar Umwegen, die uns das zickige Navi einbrachte.
Bei einer der Umwege landeten wir in einem kleinen Dorf, in dem wir auf der Straße von Stieren umzingelt wurden, alle größer als das Auto. Als einer mit seinem Horn gegen das Auto stieß, habe ich erst einmal auf die Weiterfahrt verzichtet und wir haben der Herde etwas Vorsprung auf ihrem Weg gegeben.
Finestere liegt direkt am Atlantik und war vor der Entdeckung Amerikas das bekannte Ende der Welt. Einige Pilger wandern von Santiago hierher und verbrennen hier Ihre Kleidung. Ich wäre auch gerne gelaufen, aber da war der Flug schon gebucht und die Zeit zu knapp. Kleidung verbrennen habe ich mir geschenkt, da die Outdoor-Klamotten aus Plastik sind.
Am Ziel steht ein Leuchtturm auf einem Felsen, circa 200 Meter über dem Wasser. Wir hatten sehr viel Glück, da bei unserem Eintreffen kaum Touristen zugegen waren, was sonst ganz anders sein soll.
Nach der Rückfahrt war eine längere Verabschiedung von meinen drei Damen vom Grill in Form eines Abendessens und anschließenden Gaststättenbesuches angesagt. Die gute Stimmung durch die Messe und die tolle Aussicht am Nachmittag wurde dann sehr getrübt durch besagte Verabschiedung.
Tages-Leistung: 200 Kilometer im Auto
Erkenntnis des Tages: Wenn man nicht mehr viel erwartet, kann es doch noch schön werden!